Wir befinden uns aktuell südlich des hohen Atlasgebirges und wollen nicht entlang der Route de Kasbahs nach Boumalne du Dades, sondern ziehen Pisten, von denen es immer weniger gibt, der bequemen N12 vor. Hier hoffen wir dem Spasszirkus von Erg Chebbi auf Wegen durch noch unberührte Landschaften zu entkommen und die leere, weite Wüste zu entdecken. Im Anschluss führt die Route durch das Draa Tal, einer großen Dattelpalm Oase, und überqueren auf dem Weg zu den Wasserfällen von Ouzoud den Hohen Atlas durch die Gorge du Dades.

Piste von Rissani nach Zagora
Nachdem wir das Erg Chebbi verlassen, geht die Reise weiter nach Zagora. Aber nicht auf der Nationalstraße sondern diesmal auf einer Piste südlich der N12. Die angedachte Route über Taouz, Outina und Ramlia verwerfen wir nachdem Besuch des erloschenen Vulkans, denn die Furt des Ziz Rivers zu durchqueren ist aktuell sehr riskant. In den letzten Tage blieben einige Fahrzeug im Schlamm des Fech-Fech, d.h. einem extrem feinen, staubartigen Sand der sich in Verbindung mit Wasser zu einer lehmartigen Masse verwandelt, bei dem Versuch den Fluss zu durchqueren stecken. Ich habe mir von Achmed, dem Eigentümer des Kanz Emerral eine Alternative auf der Landkarte zeigen lassen. Das würde für uns bedeuten der südlichen Route Taous bis Ramilia zu folgen und noch vor dem Überqueren des Oued Ziz den Pisten nach Norden in Richtung Rissani zu folgen, um den dort den Fluss in einer Furt auf steinigem Untergrund zu durchfahren. An diesen Wegpunkt kommen wir aber auch von unserer aktuellen Position in der Nähe des Djebel Mdauar el Kebir, d.h. des erloschenen Vulkankraters. Dieser Piste, wie wir sie auf Offline Karten von OpenStreetMaps sehen, folgen wir nun. Allein und ohne Backup. Die Strecke ist schön und abwechslungsreich, nur der Saharasand in der Luft wird immer mehr. Somit wird die Umgebung ein Einerlei aus Fels, Sand und Kieswüste in eintönigem Beige. Die Sandverwehungen reichen bis an die felsigen Hügel heran.















Am späten Nachmittag ist der gesuchte Markierungspunkt an der steinigen Furt, die durch den Ziz, führt erreicht. Diesen könnten wir nun locker durchqueren doch dadurch, dass wir von Rissani und nicht von Taouz starteten, müssen wir gar nicht durch den Fluss, da wir uns bereits auf der richtigen Flussseite befinden. Das Tagesziel ist erreicht und das Nachtlager wird hier am Flussufer aufgeschlagen. Zwei weitere Overlander stehen mit ihren Fahrzeugen ca. 200 Meter weiter. Nach einer ruhigen Nacht im Nirgendwo, setzen wir die Fahrt am frühen Morgen fort. Entlang des Flusses sehen wir die aufgeweichten und lehmigen Ufer. Dafür ist unser Camper definitiv zu schwer und bestätigt, dass die Alternativroute über Rissani / Djebel Mdauar el Kebir auszuwählen, die richtige Entscheidung war.



Die leicht sandigen Pisten sind kein Hindernis, im Gegenteil es macht Spaß mit niedrigem Reifendruck durch den gespurten Sand zu pflügen. Als wir auf eine Pistenalternative abbiegen, stellt sich heraus, dass der Sand tiefer wird, was kein Problem darstellt, aber der Pfad ist mit sehr vielen groben Steinen durchsetzt. Die Höhe der Felsbrocken von 30 und mehr Zentimeter machen mir Sorge, denn das überschreitet unsere maximale Bodenfreiheit. Unter dem Motorblock und der Ölwanne ist zwar ein Unterfahrschutz aus 6mm dickem Alu, das uns schon manches Mal mit lautem Knarzen anzeigte, jetzt ist genug. Wir wollen keine Panne in der Wüste durch leichtsinniges Verhalten herbeiführen und wenden lieber. Eine Möglichkeit auf hartem Sand von der Piste abzufahren, finde ich zwar, jedoch beim Wenden vor einem Akazienbaum ist der Sand nun doch zu weich bzw. das Auto zu schwer. Da helfen nur noch die im Heck verstauten Sandbleche unterzulegen und die Räder etwas frei zu schaufeln. Die Aktion war schnell und erfolgreich erledigt. Zu meinem Erstaunen war das Sandblech nun doch recht tief vom Nissan im Sand verbuddelt.
Bevor es die lange Tagestrecke zu meistern gilt, gibt es erstmal Frühstück. Vor der Weiterfahrt lasse ich den Reifendruck auf 2 Bar ab und zirkle das Fahrzeug um die von mir bzw. dem Nissan gegrabenen Löcher zurück auf die Sandpiste, um von dort auf der Hauptroute die Fahrt fortzuführen.




Die umliegenden Berge sind schön mit ihren in Struktur und Farbe unterschiedlichen Felsadern und dem angewehten hellgelben Sand. Doch noch lange zieht sich die inzwischen eintönige Fahrt, abwechselnd durch die Hamada, Sandpisten sowie trockene Flussläufe fort, bis wir gegen Nachmittag einen Pass erreichen und sich die Sonne wieder zeigt. Denn die meiste Zeit war diese im Dunst und hinter Staub bzw. Saharasand versteckt. Am Rande einer Ortschaft, inmitten der Wüste, liegen fünf verdurstete Kühe auf einem weiten Kiesbett.










Es wird früher Abend bis wir ca. 60 Kilometer vor Zagora unser Nachlager in der Nähe von Nomaden beziehen. Von der Straße nicht sichtbar und von den Nomaden ungestört, fühlen wir uns neben einem Akazienbaum wohl und beschließen den langen und staubtrockenen Tag mit einem kleinen, 0,33 cl großen, spanischem Feierabendbier.





Zagora
Am nächsten Morgen sind es auf Teerstraße nur noch knappe 60 Kilometer bis Zagora erreicht ist. Der Einkauf von frischem Baguette ist im Ort kein Problem. Bei Ali Nassirs Werkstatt halten wir, um die Handbremse nachjustieren zu lassen. Er erkennt uns als auch unser Fahrzeug obwohl das bereits vor 12 bzw. 9 Jahren war. Erstaunlicherweise weiß er noch, dass er 2013 eine Blattfeder einbaute und drei Jahre später den Fahrzeugrahmen nach einem Rahmenbruch bei Agdz schweißte. Diese Aktion war mit Fotos von Ali und unserem Nissan in der Offroadzeitschrift ‚Explorer‘ abgebildet. Nachdem Ali die Handbremse nachjustiert hat, funktioniert diese auch wieder zuverlässig, was wir die nächsten Tage im Hohen Atlas noch zu schätzen wissen. Zum Glück kamen wir zeitig an, denn weitere Offroader kommen bereits um sich die Schäden an ihren Fahrzeugen, die bei Pistenfahrten nun mal unvermeidlich sind, beheben zu lassen. Da Ali Nassir für viele Rallye Veranstaltungen Support anbietet, ist er weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. So trafen wir in Mosambik auf einen Lodgebetreiber, der ihn ’natürlich‘ von diversen Rallye’s her kannte.
Rasch noch ein Frühstück und wichtige Vorräte im Ort, wie das selten in Marokko zu erhaltende Bier auffüllen, bevor es auf den Campingplatz ‚Palmerie de Zagora‘ geht. Der Platz gefiel uns bereits 2013 recht gut und ist inzwischen mit einem Pool aufgewertet.








Draa Tal
Das Vallée du Drâa beginnt bei Zagora und zieht sich 200 Kilometer in den Norden bis nach Agdz. Das weitläufige Tal hat große Dattelpalmenpflanzungen. Doch dort wo der immer wasserführende Draa etwas weiter von der Palmerie entfernt ist, machen die Palmen einen vertrockneten Eindruck. Wenige Kilometer weiter sind wieder grüne und gesunde Palmen zu sehen. Wir vermuten, dass es mit dem Wasserstand und damit einhergehenden Grundwasserpegel des Draa-Flusses zusammenhängt.




Eine in den Jahren 2016 bis 2018 vollständig restaurierte Kasbah lassen wir uns nicht entgehen und nutzen den Stopp für eine Teepause auf der Dachterrasse mit Blick über die vor uns ausgebreitete Palmerie. Dreißig Kilometer vor Agdz biegen wir in Richtung Osten nach N’Kob ab. Dort finden einen Campingplatz mit Pool. Er war nicht schwer zu finden, denn es ist der einzige Campsite im Ort. Von dort soll es morgen Boumalne Dades gehen. Nach der drückenden Schwüle ist ein Bad im kühlen Wasser eine herrliche Erfrischung. Bei dem Wassermangel der in Marokko herrscht und den vielen Gästen im Land, die neben den Poolanlagen viel Duschwasser verbrauchen, wird einem schon klar, dass unser gewohnter Luxus hier hohe Umweltkosten verursacht.
Bab’N’Ali
Von N’Kob wählen wir die kürzeste Route nach Boumalne, dem Tor zur Dades Schlucht. Ich hatte mich bereits sehr auf die Pistenfahrt über den Jebel Saghro gefreut wie wir sie bereits 2016 fuhren. Aber auch hier schlägt der Fortschritt gnadenlos zu. Die ehemals holprige Piste ist einer glatten Teerdecke gewichen. Dafür sind die beiden Granitmonolite des Bab’N’Ali im besten Licht zu bewundern. Noch vor dem Frühstück wandere ich zu den beiden Gipfeln mit ihren 1.580m. Dies noch vor dem Frühstück zu unternehmen war genau richtig, denn schon kurz nach der Rückkehr zum Auto bilden sich Dunstschleier durch den allgegenwärtigen Saharasand in Luft. Zurück auf der Teerstraße schraubt sich das Asphaltband in vielen Kehren den Tiz’n Tazaert auf 2200 Meter des Jebel Saghro hoch.








Fahrt über den Jebel Saghro
Die zerklüftete, schwarze Felsschlucht vulkanischen Ursprungs des Jebel Saghro ist im Dunst vom Aussichtspunkt oberhalb der Schlucht zu sehen. Die Gebirgskette mit einer Länge 430 Kilometer ist das Verbindungsglied zwischen dem Hohen Atlas und der Sahara. Ein kleines Cafe bietet Parkplatz, Tee und ein überwältigendes Panorama.










Noch weitere 450 Höhenmeter sind es bis zu einem Berbercafe Tizin Tazazert auf dem höchsten Punkt der Passstraße. Hier lassen wir uns den obligatorischen Minztee von Brahim und Fatima schmecken und beschließen, die Nacht hier auf dem Stellplatz zu verbringen. Wann hat man schon so eine fantastische Aussicht auf das umliegende Bergpanorama. Für den marokkanischen Thé à la Menthe werden frische Minzblätter mit grünem Tee im Glas oder in der Kanne übergossen. Nach einem kurzen und leichtem Schauer bietet die Sonne noch einen fotogenen Abgang bevor es empfindlich kalt wird. Auf dem Flachdach des Cafe’s signalisiert das Handy plötzlich wieder Internetempfang.







Gorge du Dades
Boumalne Dades ist bald erreicht, frisches Baguette eingekauft und einer Weiterfahrt durch die 60 Kilometer lange Gorge du Dades steht nichts mehr im Wege. Im Anschluss an die ausgedehnte Palmerie mit Gemüseanbau und Obstbäumen in voller Blüte erwartet uns das bekannte Felspanorama der Dadesschlucht, Doigts de Signe (Affenpfotenfelsen) genannt. Das Wetter trübt sich auf der weiteren Passfahrt leider etwas ein und geht in Nieselregen über. So kennen wir Marokko überhaupt nicht und beenden bereits am frühen Nachmittag die Weiterfahrt. Ich vermute, dass es nicht mehr weit zu den besten Panoramen der Gorge du Dades ist.











Am nächsten Morgen bestätigt sich meine Vermutung. Nach einer ungestörten, ruhigen Nacht auf einem ebenen Platz neben der neu gebauten Teerstraße und bei strahlendem Morgenlicht erklimmen wir die Passhöhe, nicht ohne alle 100 Meter einen Fotostopp einzulegen.






Im Gegensatz zum südlichen Afrika, werden hier überall die Felder bestellt, Wasser in Kanälen in genau abgestimmten Mengen den einzelnen Feldern zugeleitet. Zahlreiche neue Olivenhaine wurden in den vergangen Jahren gepflanzt, was ja von einer gewissen Weitsicht zeugt. Durch die trockenen und eher unzugänglichen Gegenden der Berge ziehen Ziegen- und Schafherden, immer bewacht von ihren Hirten.









Imichil
Die Weiterfahrt nach Imichil, welches vor Jahren durch seinen monatlich stattfindenden Heiratsmarkt bekannt war, zieht sich wegen der vielen Passkehren in die Länge, belohnt uns dafür mit einer wunderschönen Berglandschaft. Neben den LKWs in unterschiedlicher Größe und Lautstärke, gelten Pferde, Maultiere und Esel nach wie vor zu den bevorzugten Lastenträgern oder Transportmitteln.












Imichil selbst ist ein lebhafter, kleiner Ort mit zahlreichen Cafe’s und Restaurants. Ein großer Marktplatz und die vielen Geschäfte mit Kleinwaren zeugen von dem wichtigen Handels- und Treffpunkt für die Viehhirten und Händler der umliegenden Bergdörfer. Nachdem wir Imichil verlassen, wird die Landschaft nochmals einsam, karg und atemberaubend schön.










Je weiter wir nach Norden fahren, wird die Landschaft flacher und wieder grüner. Bis wir ca. 30 Kilometer vor El-Ksibha unweit von Kasba Tadla einen Übernachtungsplatz suchen. Die braune Felsenlandschaft ist einer saftig grünen Gegend gewichen. Es sieht nach Voralpenland und Altmühltal aus. Nett, aber das suchen wir ja gar nicht. Gibt’s zu Hause, zwar ohne Störche, reichlich 😉




Cascades D’Ouzoud
Die Gegend um Kasba Tadla und Beni Mellal sieht nach der landwirtschaftlichen Kornkammer Marokkos aus. Es ist bereits Erntezeit denn pausenlos begegnen uns Traktoren. Keine kleinen alte, sondern John Deere und andere neue Modelle sind hier unterwegs. Auch die Autos in den Städten sind auf gehobenem Level. Meist neue Mittelklasse Fahrzeuge, VW, Renault und auch Mercedes sind auf dem Pass zu den Wasserfällen von Ouzoud zum Wochenendausflug unterwegs. Einige der Marokkaner fahren übervorsichtig, andere kommen um die engen und nicht einsehbaren Kurven geschossen, wo es auf dem schmalen Teerband ganz schnell zu eng für zwei Fahrzeuge wird. Die Abfahrt vom Pass der Gorges de O-el-Abid ist abenteuerlich, denn es geht steil bei 10-12% Gefälle und engen Haarnadelkurven bergab. Das alles bei einem äußerst knapp bemessenem Bankett von max. 80 Zentimetern und ohne jegliche Sicherung durch Leitplanken vor der 100 Meter tiefen Abbruchkante. Wer hier einen Fahrfehler begeht, macht das nur einmal.







Die Cascades sind beeindruckend wie vor 40 Jahren, nur ist es inzwischen ein beliebtes Ausflugsziel für Marokkaner und Touristen aus aller Welt. Eine endlose Kette von von Verkaufsständen und Restaurants zieht sich von den Parkplätzen bis zum Grund der Wasserfälle. Den Weg, den ich einschlage führt mich auf oben am Rand der Schlucht entlang. Bergab geht’s auf guten Wegen durch den schattigen Wald bis zum Fuße der Wasserfälle. Hier tobt der Bär, die Selfigeneration ist gut damit beschäftigt sich in den üblichen Posen zu fotografieren.





Nach dem Spektakel kehren wir auf dem ‚Zebra‘ – Campingplatz, zwei Kilometer von den Fällen entfernt ein. Den gemütlichen und ruhigen Campingplatz peilen wir ganz gezielt an, denn er blieb uns von vorherigen Reisen in guter Erinnerung. Wir suchen uns einen netten Stellplatz mit Sonne- und Schatten-Mix, das Essen im Restaurant ist noch immer gut und zu unserer Freude wurde der Platz um einen großen Pool erweitert.
