Von Marrakesch sind es knappe 200 Kilometer bis an die Küste nach Essaouria, was auf der inzwischen ebenfalls gut ausgebauten Überlandstraße rasch zurückgelegt ist.

Essaouria
Gegründet wurde Essaouira von Sultan Mohamed ben Abdallah 1760. Mehrere renommierte Architekten wurden beauftragt, eine Stadt die den Bedürfnissen ausländischer Kaufleute angepasst war, zu errichten. Die Stadt erlebte ein goldenes Zeitalter und wurde zum wichtigsten Handelshafen des Landes und darüber hinaus zu dessen diplomatischer Hauptstadt. Die Portugiesen bis hin zu den Franzosen nannten die Stadt Mogador, bevor sie nach der Unabhängigkeit von Frankreich wieder in den früheren Namen umbenannt wurde. Später entwickelte sie sich zu einem multikulturellen Treffpunkt, der europäische wie afrikanische Künstler und Musiker anzog, was sich in den zahlreichen jährlich stattfindenden Musikfestivals widerspiegelt.
Arganprodukte

Medina
Die Medina, die seit 2001 Bestandteil des UNESCO Welterbes ist, wird von Befestigungsmauern aus dem 18. Jahrhundert umgeben. Noch heute säumen alte Messingkanonen die der Küste entlang verlaufenden Mauern.
Die Anzahl der Souvenierläden und Verkaufsständen für Arganprodukten wurde seit unserem letzten Besuch drastisch erhöht. Auch die Touristen sind deutlich zahlreicher, aber die Stadt hat sich ihren Flair bewahrt.
Morgens, wenn ich auf der Suche nach frischem Baguette bin, liegen die Gassen leer und noch wie früher breit und unbehängt von Plunder vor mir. Zu dieser Stunde wirkt es wie ein komplett anderer Ort. Nur an den Marktständen herrscht auch am frühen Morgen rege Betriebsamkeit und vereinzelte Touristen, die in Ruhe fotografieren wollen, sind jetzt neben den Einheimischen unterwegs.
Essaouria’s unbeschreiblicher Flair
Die zahlreichen kleinen Cafes, Bistros und Riads lassen mit den offenen Marktstraßen und Gassen den wuseligen Betrieb ins Leere laufen, so dass das Bummeln in der Medina weitaus angenehmer und nicht so anstrengend ist als in den großen Städten wie Marrakesch oder Fes. Frisch gepressten Orangesaft, Kaffee oder den landestypischen The a la Menthe gibt’s an fast jeder Ecke, nur nicht immer so nett wie in unserem Lieblingscafe (s.u.).
Ein bisschen des vergangenen Hippie Flairs hängt der Stadt noch nach zudem es einige Galerien, kunstvolle Töpfereien und Bilder sowie coole Cafes gibt. Auch die Kleidung die zum Verkauf angeboten wird, ist völlig anders als in den rein orientalischen Städten, die wir bislang besuchten. Denn die hier angebotene Mode ist nicht der muslimischen Tradition sondern den 60er und 70er Jahren geschuldet. Blues und Jazz klingt aus so manchen Räumen oder Fenstern, Musiker spielen live an offenen Plätzen und tragen so zur lockeren, gechillten Atmosphäre bei.

Die weiß getünchten Häuser mit ihren blauen Fensterläden wirken einladend hell und fröhlich. Eine weitere Besonderheit Essaouria’s sind Gänge die unter den Wohnhäusern quer durch die Stadt hindurch führen. Man sieht ihre Deckenbalken aus Palmholz sowie das Bast-und Rohrmaterial, welches zum Deckenbau verwendet wurde.
Obst-, Gemüse- und Fischmarkt
Der Markt öffnet im Gegensatz zu allen anderen Läden sehr früh. Hier herrscht reger Betrieb, in den Cafes sitzen die ersten Touristen die vermutlich rasch zum Flughafen oder anderen Zielen weiter müssen. Ansonsten sind die breiten Verkaufsgassen leer und das ungeschminkte Essaouria kommt zum Vorschein.
Hafenbetrieb
Im Hafen liegen unzählige Fischkutter in allen Größen. Hier lässt sich von morgens bis abends Fisch einkaufen. Mittags finde ich mich an einem der Grillstände ein, gönne mir die wohlverdiente Pause und lass mir eine Portion, hoffentlich doch fangfrischer, Sardellen grillen. Die laut kreischenden Möwen ziehen ihre tiefen Kreise über der Mole. Immer nach Fischresten bzw. Abfällen Ausschau haltend.
Des Nachts verlieren die beleuchteten Gassen auch nichts von ihren Charm. Die Barbiere kümmern sich bis tief in die Nacht um Bart und Haare, der Verkauf in den Gassen floriert und nächtliche Ruhe kehrt erst spät ein wenn die Restaurants schließen und die Gäste in ihre Unterkunft zurückkehren.
Riad al Madina
Das Riad entdecken wir am Vormittag, als ich frage ob ich den Innenhof fotografieren darf. Es stellte sich dabei heraus, dass es nicht nur Hotel sondern auch Cafe und Restaurant ist. Kurz entschlossen pausieren wir für einen frisch gepressten Orangensaft und kehren abends zu einem ausgesprochen leckeren Dinner zurück. Nach Sonnenuntergang wird es, für marokkanische Verhältnisse, noch immer ungewöhnlich kühl, so dass wir nicht im Innenhof essen sondern uns ins Restaurant zurückziehen. Sogar der offene Kamin wird angezündet. Übernachten können wir praktischer Weise, wie bereits in den anderen größeren Städten, unmittelbar vor der Stadtmauer.
Villa Coriandre
Der im Herbst letzten Jahres neu eröffnete Camping der Villa Coriandre, ist ein Volltreffer. Nur 11 Kilometer von Essaouria entfernt ist es ein Juwel, mit ca. 15 Stellplätzen neben jungen Olivenbäumen, sauberen Sanitäranlagen. Mit einem großen Pool inmitten von Rasen und der gelungenen Architektur der Villa die von einer Veranda gesäumt ist, fühlen wir uns richtig wohl. Die Gastgeber sind herzlich und so bleiben wir statt des geplanten einen Tages gleich drei Tage. Wir sind gesättigt von langen Fahrten, vielen Lehmburgen und vollen Gassen. Essaouria ist unser Highlight der marokkanischen Städte, dem gibt es (fast) nichts mehr an weiteren Eindrücken hinzufügen.



Fahrt nach Casablanca
Die knapp 200 Kilometer nach Casablanca wollen wir rasch hinter uns bringen. Etwas Nationalstraße und dann auf die Autobahn, so ist der Plan. Wir haben aber nicht mit einem Sonntagsmarkt einer eher kleinen Ortschaft gerechnet. Mindestens 10 Kilometer vor Beginn des Marktes entlang der Nationalstraße stauen sich Reisebusse, Pkws und Maul- bzw. Eselkarren. Die Leute steigen aus den Bussen und gehen den Rest der Strecke zu Fuß. Wir müssen halt mit unserem Wohnmobil hier durch, d.h. mal rechts an der Fahrzeugkolonne vorbei auf Sandpisten wie die Marokkaner vor uns. Dann wieder auf der Gegenspur, da große Busse einfach stehenbleiben, bis nichts mehr geht und wir 1 1/2 Stunden im Stau stehen bis dieser Marktplatz überwunden ist. Unterwegs halten wir um an der Küste bei sonnigem Wetter zu grillen, da wir nicht wissen wie lange es noch bis zum geplanten Ziel dauern wird.
Casablanca erreichen wir dennoch gerade noch rechtzeitig zum Sonnenuntergang. Dort übernachten wir in einem Vorort mit zahlreichen ‚Strandbesuchern‘ auf einem Parkplatz direkt am Atlantikufer. Die einheimischen Paare beobachten, in ihren Autos sitzend, den Sonnenuntergang. Über alles weitere hüllt sich die Dunkelheit.

Casablanca
Einziges Ziel in Casablanca ist die sehenswerteste Attraktion dieser Stadt, die Moschee Hassan II. Sie hat mit dem 210 Meter hohen Minarett das höchste Minarett der Welt und ist die größte Moschee Afrikas, die im Jahr 1993 am Geburtstag des Propheten Mohammed eröffnet wurde. Die Moschee wurde anlässlich des 60. Geburtstags des alten marokkanischen Königs Hassan II, dem Vater des heutigen Königs Mohamed VI, erbaut. Sie ist nach der al-Haram-Moschee in Mekka, der Prophetenmoschee in Medina, dem Imam-Reza-Schrein (in dem die Goharshaad-Moschee integriert ist) in Mashhad, Iran, und der Istiqlal-Moschee in Jakarta, Indonesien, die fünftgrößte Moschee der Welt und bietet Platz für 25.000 Personen.

Die Große Moschee wurde innerhalb von nur 6 Jahren von 35.000 Arbeiter errichtet und von der Bevölkerung ‚freiwillig‘ mit finanziert. Sie steht am Rande des Atlantischen Ozeans, d.h. sie ist teilweise auf dem Land und teilweise über dem Ozean erbaut. Auf Grund dieser Meereslage ist die Moschee frei vom Stadtlärm und der Luftverschmutzung. Um vor Überflutung durch heftige, bis zu 10 Meter hohe Wellen des Atlantiks, sicher zu sein, wurden zwei große Wellenbrecher gebaut.
Zum Gebet können sich bis zu 25.000 Personen, d.h. 20.000 Männer in der Gebetshalle auf dem Marmorboden, bis zu 5000 Frauen auf den beiden seitlichen Balkonen in der Gebetshalle und weitere 80.000 Personen auf dem Außengelände der Moschee, versammeln. Die Gläubigen betreten die Moschee durch die monumentalen Seitentüren, denn nur der König darf durch das 32 Meter hohe Portal schreiten.

Das für die Decken benötigte Zedernholz stammt aus dem Mittleren Atlas, der verwendete und auf Hochglanz polierte Marmor kommt aus der Umgebung von Agadir und das Granitmaterial aus Tafraoute im Anti Atlas. Die 16 Meter hohen Eingangstore sind aus Titan und wiegen 16t. Das zentrale Königsportal wiegt sogar 32t. Durch die optionale Öffnung des Dachs und der zum Atlantik zu öffnenden vergitterten Türen wird die riesige Gebetshalle belüftet. Eine Medersa (Koranschule) als auch ein Hammam (Bad) sind im Untergeschoss des Gebetsraums untergebracht. Das zu öffnende Dach, eine Fußbodenheizung in der Gebetshalle sowie ein grüner Laserstrahl, der nachts Richtung Mekka zeigt, sind die technischen Besonderheiten dieser großartigen Moschee.
Die Waschräume für die rituellen Waschungen und ein wunderschöner Hammam sind im Untergeschoss des Gebetsraums untergebracht.
Rabat
Rabat liegt an den Ufern des Atlantischen Ozeans und ist eine der vier Königsstädte Marokkos, sowie Marokkos aktuelle Hauptstadt. Der berühmte Hassan-Turm der Stadt, ein begonnenes Minarett aus dem 12. Jahrhundert, das nie fertig gestellt wurde, ist auf den Ruinen einer Moschee erbaut. Gleich neben dem Turm erhebt sich das in weißem Marmor erbaute Mausoleum des Mohamed V.

Kasbah von Rabat
Die Kasbah des Oudaïas, das älteste Stadtviertel liegt auf einem Hügel an dem strategisch gut gewählten Ort mit Blick auf die Mündung des Oued Bouregreg. Es ist etwas zu aufwendig restauriert und wirkt fast wie der Eingang zu einer Mall.
Souk
Die teilweise bedeckten Souks sind breit und wirken offen und freundlich. Der beschauliche Souk hat deutlich wenigerer Besucher verglichen mit Marrakesch und Fes. Hier findet man neben den üblichen Souvenirläden und dem Kunsthandwerk, Schuh-, Leder- sowie Gewürzgassen. Der Teppichmarkt ist das Zentrum für den Verkauf der Berberteppiche aus den umliegenden Bergregionen.








Hassan Turm und Mausoleum Hassan II
Das Mausoleum von Mohammed V. liegt gegenüber dem Hassan-Turm. Es enthält die Gräber des marokkanischen Königs Mohammed V. und seiner beiden Söhne, dem Prinz Abdallah sowie dem verstorbenen König Hassan II, Vater des derzeitigen Königs.

















Übernachten im Korkeichenwald
Die Campingplätze bei Kenitra hatten beide so schlechte Rezensionen, dass wir uns wegen einer Nacht nicht schon wieder durch den marokkanischen Stadtverkehr, der doch meist recht unkalkulierbar ist, quälen wollten. Dann doch lieber ab in einen Korkeichenwald, der sich seit ca. 50 Kilometer parallel zur Autobahn hinzieht. So können wir Ruhe und gute Luft gegen miefigen und lauten Stadtverkehr eintauschen.



Assilah
Assilah ist wie immer unsere letzte Anlaufstation vor der Rückreise nach Europa. Wie die letzten Male wählen wir die Fähre die uns in zwei Tagen nach Genua bringt. Die Medina von Assilah ist nett rausgeputzt und wirkt mit seinen weiß getünchten Häusern mehr spanisch und so ganz unmarokkanisch. Das kleine gemütliche Städtchen wächst langsam über sich hinaus, denn ein komplett neues Vorstadtviertel entsteht in einer unglaublichen Größe. Die modernen Wohnblöcke wirken schöner als wir es von Spanien kennen und lassen sich gut mit neuen Wohnhäusern in Deutschland vergleichen. Allen Respekt vor dieser Leistung der Regierung, die für die vielen jungen Leute Marokkos Wohnraum schafft. Scheint nur in Deutschland ein Problem darzustellen.









Bevor es morgen zur Fähre geht, ist eine gründliche Außenreinigung des Womo’s angesagt. Ein letzter Abendspaziergang entlang der Wehrmauer führt uns nochmals durch die weißen Gassen. Den Abend beschließen dann wir bei einem leckeren Fischessen mit Weißwein (hätte es vor Jahren nicht gegeben) und einem herrlichen Sonnenuntergang vor den Toren der Altstadt. Im Hafen angekommen müssen alle Fahrzeuge durch einen überdimensionalen Scanner. Jeweils 5-6 Autos werden nacheinander aufgereiht und alle Personen müssen anschließend aussteigen damit das Fahrzeug des Douane Marocaine die Auto auf Personen oder sonstige Zollinteressen hin scannen kann.






Fazit
Marokko ist nach wie vor ein zauberhaftes Land, das einen orientalischen Flair versprüht. Die Menschen im Land sind, wie auch früher schon, freundlich und offen. Sie tragen inzwischen überwiegend westlichen Kleidungsstil. Der Fortschritt, mit all seinen Vorteilen und auch Schattenseiten, lässt sich allerdings nirgends aufhalten. Überlandstraßen wurden verbreitert, was das Fahren deutlich sicherer macht. Der ‚Funpark‘ zu dem das Erg Chebbi mutierte, was ein richtiger Schock war, ist hingegen einer dieser negativen Seiten. Die schönsten Passstraßen wurden und werden auch derzeit noch begradigt, was der lokalen Bevölkerung bestimmt viele Vorteile bringt, einem verträumten Straßenromatiker wie mir natürlich weh tut.
Es gibt ein unvergleichbares Nebeneinander von Alt und Neu. So fahren in den Großstädten außergewöhnlich viele SUVs und Luxuslimousinen, von Ferrari, Porsche, Mercedes bis hin zum VW-Touareg. Moderne vollelektrischen SUVs von BYD stehen Seite an Seite mit einem Blechkarren der von Hand geschoben oder einem Lasttier gezogen wird. Neben der Landstraße oder Autobahn und häufig auf der Straßen innerhalb der Städte trotten Esel- und Maultierkarren ungehindert auf der rechten Fahrspur und ziehen langsam ihre Last. Auch Menschen die auf Maultieren und Esel in der Stadt traben, sind keine Seltenheit. Die Moderne löst das Althergebrachte nicht ab, sondern es existieren Dinge aus unterschiedlichen Jahrzehnten und sogar Jahrhunderten einfach zur gleichen Zeit nebeneinander.
Durch Souks lässt es sich inzwischen ungestört bummeln ohne von Verkäufern zum Kauf gedrängt zu werden. Keramiken, Holz- sowie Flechtarbeiten sind allesamt sehr viel ordentlicher ausgeführt als es noch vor vielen Jahren der Fall war. Das liegt alles vermutlich an einer neuen Generation, die selbst mehr Wert auf schöne Dinge, d.h. ordentliche Kleidung, gut gearbeitetes Handwerk oder moderne Technik wie TV und Mobilgeräte legt. Das spiegelt sich auch in den deutlich gehobenen Ansprüchen der Wohnungen, Cafes oder Restaurants wider.